Ein Fährschiff namens Helge und Ankern im Thurø Bund

M:S Helge Bug

Unter Vollzeug und fünf Knoten Fahrt vor dem Wind lief ich auf den immer schmaler werdenden Thurø Sund zu, der den östlichen Zugang in den Svendborg Sund darstellt. Ich war einhand unterwegs und das erste Mal in diesem Revier, daher war mein Puls recht weit oben, als ich in dieses von Waldufern und Landhäusern umsäumte, flussartige Fahrwasser segelte. Bevor ich Ankern konnte, musste ich voraussichtlich noch zwei Halsen auf engstem Raum fahren. Da mich die rasante Fahrt der letzten Meilen vor der malerischen Kulisse in eine Art Segel-Euphorie versetzt hatte, hatte ich die Gedanken an ein sicherheitshalberes, vorzeitiges Bergen der Segel verworfen. Nach der zweiten Fahrwassertonne wurde der Verkehr dichter. Das 90 Jahre alte Fährschiff Helge begrüßte mich mit einer stolzen Bugwelle, die die Hoppetosse ordentlich durchschüttelte. Der Großbaum blieb aber trotz der Schaukelei auf seiner Seite. Der Wind hatte ausreichend Druck, so dass kaum Gefahr einer Patenthalse bestand.

Die Fährbrücke „Grasten“ passierte ich so nah, dass ich den sich dort sonnenden Urlaubern mitsamt ihren angelnden oder badenden Kindern zuhören konnte.

Eine mir entgegenkommende Yacht aus Schweden kreuzte das Fahrwasser mit schnellen Wenden auf, wobei wir uns so nahe kamen, dass echte Maßarbeit gefragt war.

Kurz darauf ging ich mit dem Heck durch den Wind und bog in die Ankerbucht namens Thurø Bund ab. Die Halse ging ohne Aufregung von statten, da ich mittlerweile ein wenig Abdeckung durch das nahe Ufer erhalten hatte.

Ankern an der Wiege des Segelsports

Ich ließ den Anker fallen und genoß den Blick auf einen alten Laubwald sowie das gegenüberliegende Ufer, an dem es Yachtwerften und bunte Häuser mit eigenen Bootsstegen zu bestaunen gab. In diesem Naturhafen Thurø Bund überwinterten zur Blütezeit der großen Segler über 100 Schiffe.

Ich verstand langsam, warum diese Gegend eine der Wiegen des Segelsports in Dänemark ist. Nicht umsonst findest Du hier in allernächster Nähe zwei bedeutende Institutionen der Seefahrtsgeschichte – das Schiffahrtsmuseums direkt über dem Yachthafen Troense sowie das Yachtsport-Museum, Danmarks Museum for Lystsejlads, welches im Valdemars Slot auch auf der Insel Tåsinge nahe des Dorfes Troense zu finden ist.

Letzterem wollte ich am nächsten Tag einen Besuch abstatten. So ruderte ich mit dem Dinghy am nächsten Morgen ans Waldufer und wanderte durch urige Pfade zwischen hohen Bäumen zum Fähranleger. Auf dem Weg dorthin passierte ich den kleinen Yachtsteg Grasten im Thurø Bund, der tatsächlich offen für Gastlieger ist. Komfort solltest Du dort natürlich nicht erwarten. In diesem „Naturhafen“ gibt weder fließendes Wasser noch irgendeine Art von sanitären Anlagen. Aber einen Grillplatz und eine äußerst idyllische Umgebung. Also eigentlich alles, was man so braucht und es kostet auch nur 50 Kronen (ca. 7 €) pro Schiff pro Nacht.

Thurø Grasten Steg

Thurø Grasten Steg

Thurø Karte

Thurø Karte

Triathlon auf dänisch: Rudern, Wandern, Fähre fahren

Nach einer guten halben Stunde langte ich am Fährsteg an. Die nächste Abfahrt war erst in einer Stunde. Kein Problem – ich vertrieb mir die Zeit in der Sonne sitzend mit einem spannenden Buch über eine Familie, die mit zwei kleinen Kindern einen Sommer lang Rund England gesegelt ist (One Summers Grace – Libby Purves) und schaute zwischendurch der zweiten Person am Steg, einem Angler, bei seinen „Routenauswurfkünsten“ zu.

Das Fährschiff Helge war auch heute voll mit lachenden Touristen. Ich bezahlte das Fährgeld und inspizierte auf einem kleinen Schiffsrundgang die originalgetreue hölzerne Innenausstattung. Nach einer Viertelstunde waren wir auch bereits bei Valdemars Schloss angekommen. Ich steuerte zuerst das in einem langgezogenen Seitengebäude gelegene Yachtsportmuseum an und betrat einen weitläufigen, bis zum Dachfirst hohen Raum, dessen fehlende Zwischendecke die Präsentation komplett aufgeriggter Schiffe möglich macht. Besonders beeindruckt war ich von dem Weltumsegelungsboot „Stormy II“ des dänischen Segelpioniers Svend Billesbølle, das nur 18 Fuß lang ist, also nochmal einen Meter kürzer als meine Hoppetosse.

Weitere Exponate, die mir gut gefallen haben, waren die Schiffsmodelle wie z.B. das der „Nordkaperer“ des Abenteurer, Globetrotter, Kapitän auf großer Fahrt, Autor, Vortragshalter und Fernsehproduzenten (Anm. d. Red.: gute Berufswahl!), Troels Kløvedal, der mit seinem Zweimaster zahlreiche Expeditionen in Ozeanien und Austronesien unternommen hat.

Auch nicht schlecht fand ich die historischen Fotos aus der Anfangszeit des Segelsports in Dänemark, wie dieses hier von den schicken Segeldamen.

Segeldamen

Segeldamen

Warum Valdemar nie in sein Herrenhaus einziehen konnte

Neben dem Yachtsportmuseum habe ich mir natürlich auch das Schloss selber angeschaut, das König Christian IV 1639 für seinen Sohn Valdemar in Auftrag gab. Dieser fiel allerdings im Krieg, bevor er dort einziehen konnte.  Der dänische „Seeheld“, Admiral Niels Juel erhielt das Schloss für seinen Sieg in einer Seeschlacht gegen Schweden im Jahr 1677. Genau genommen sollte es den Gegenwert der von ihm gekaperten schwedischen Schiffe darstellen. Gebäude und ein Teil der Ländereien ist nach wie vor in der Hand seiner Nachkommen. Beim Rundgang durch das Herrenhaus konnte ich tief in die prunkvolle Familiengeschichte eintauchen, die viele weitere Seefahrer hervorgebracht hat. Der skurrilste Teil findet sich im Dachgeschoß mit einer mehreren hundert Exponaten umfassenden Jagdtrophäen-Sammlung.

Valdemars Schloss Ausblick

Valdemars Schloss Ausblick

Valdemars Schloss vom Wasser aus

Valdemars Schloss vom Wasser aus

Am Nachmittag trat ich wieder mit Helge die Rückreise an. Ich verbrachte noch eine weitere Nacht vor Anker und nutzte den lauen Abend mal wieder für eine Abkühlung im Wasser, bevor ich am nächsten Tag die Weiterreise nach Svendborg antrat, aber das ist eine andere Geschichte.

Zum Abschluss habe ich hier einen kurzen Video-Mitschnitt meiner Bordkamera für Dich, damit Du Dir ein etwas besseres Bild von meinen Erzählungen machen kannst.

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Stefan

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