Tag - Einhandsegeln

Einhandsegeln: Das ultimative Rezept zur Langeweile

Einhandsegeln

„Derjenige scheint mir glücklich zu sein, der ein Refugium hat. Die isolierte Existenz auf See während so vieler Monate, das war schon etwas davon, und es fällt mir ohne Zweifel schwer, diesen Frieden wieder aufzugeben.“
– Louis Bernicot, Einhand-Weltumsegler durch die Magellanstraße 1936-1938

Während meines diesjährigen Sommertörns und auch danach wurde ich des öfteren gefragt, ob es denn nicht langweilig sei, alleine unterwegs zu sein. Auch wenn ich das gar nicht die ganze Zeit war, gab es doch mehrere Wochen, in denen ich mich im Einhandsegeln üben konnte. Die Antwort auf die Eingangsfrage war jedoch stets ein „Nein“ meinerseits. Begründet habe ich das je nach Fragesteller meist unterschiedlich, so wie ich der Meinung war, dass der- oder diejenige es am besten versteht. Für diesen Artikel habe ich etwas tiefer in mich hineingehorcht und versuche so eine für mich allgemein gültige Antwort zu geben. (Achtung: Philosophie-Alarm!)

Ich würde mich grundsätzlich als gesellige Person beschreiben und habe selten Probleme, in neuen Umfeldern Anschluss zu finden – wenn ich denn Lust darauf habe. Letzteres ist nicht immer der Fall. Ich habe bereits einen kaum zu toppenden engen Freundeskreis und möchte grundsätzlich lieber mehr Zeit und Energie für diese mir wichtigen Menschen aufwenden, anstatt in die Suche nach neuen Beziehungen. Ich genieße auch sehr das Segeln in netter Gesellschaft, sei es auf Urlaubstörn mit meiner Freundin, das verlängerte Wochenende mit meinen besten Kumpels oder das Erkunden von neuen, nicht alltäglichen Revieren auf den Schiffen meines Segelvereins mit guten Clubkameraden.

„Ohne großes Alleinsein ist keine ernsthafte Arbeit möglich“

– Pablo Picasso

Ich freue mich auch fast immer, wenn ich die Bekanntschaft von neuen, interessanten Persönlichkeiten machen kann. Alles in allem würde ich mich daher nicht unbedingt als introvertiert bezeichnen. Allerdings habe ich ruhige Stunden, in denen ich vor mich hin puzzeln, nachdenken oder konzentriert arbeiten kann, schon immer sehr geschätzt.

Beim Einhandsegeln habe ich genau hierfür regelmäßig Gelegenheit gefunden.

Wobei ich sagen muss, dass ich als verantwortlicher Skipper, Navigator, Vorschoter, Großsegeltrimmer, Matrose, Maschinist, Smutje und Backschaftler in Personalunion in der Regel zeitlich recht gut ausgelastet war – gerade auf einem älteren Holzboot, das viel Zuneigung erwartet.

Ich habe zwar beim Einhandsegeln nur Tagestörns durchgeführt, d.h. ich war jeden Abend im Hafen oder vor Anker, trotzdem gab es auf den längeren Etappen regelmäßig Phasen von 30 Minuten bis zu drei Stunden, in denen keine großartigen Aufgaben zu erledigen waren, außer die Pinne in der Hand zu halten und das Boot im optimalen Rhythmus durch die Wellen gleiten zu lassen. Anluven – Wellenkamm – Gegenlenken – Wellental – 5 – 4 – 3 – 2 – 1 – Anluven – und so weiter. Wenn Du selber Segler bist, weißt Du genau, was ich meine. Nach einer gewissen Zeit ist es nicht unüblich, dass Du auch Deine Atmung an dieses Intervall anpasst. Das kann dann etwas sehr Meditatives haben. In diesen Momenten kann ich wirklich abschalten. wahlweise an nichts denken – Stichwort Meditation – oder mir Gedanken zu einem wichtigen Thema machen. (Auch wenn es hier auf dem Foto zugegebenermaßen nicht ganz danach aussieht..;)

Einhandsegeln Pinne

Auch die Abende haben – gerade vor Anker – eine ganz besondere, beruhigende Wirkung. Ich habe es genossen, abends so lange zu lesen, bis mir die Augen zufallen, Logbuch zu schreiben oder ein neues Projekt zu skizzieren.

Meine Verwandlung zum verschrobenen Eigenbrötler

Einhandsegler verschroben

Ein bisschen lustig fand ich, dass ich schon etwas „verschroben“ wurde, auch wenn meine Passagen ohne menschlichen Kontakt eigentlich nie länger als zwei oder drei Tage dauerten. Wenn ich nach längerer Zeit wieder Besuch an Bord oder Crew-Zuwachs bekam, konnte zumindest ich selber an mir einige komische Verhaltensweisen beobachten. Das konnten Dinge wie bestimmte, Ritual-artige Umgänge mit meinem Boot oder Ordnungsfimmel unter Deck sein. Ich habe nie wirklich gefragt, ob das meinen Mitseglern auch aufgefallen ist, aber so ist das eben, wenn man über mehrere Monate auf so engem Raum lebt.

Das alles war es auf jeden Fall, was ich am Einhandsegeln so schätzen gelernt habe. Ich hoffe, diese kurze Abhandlung war Dir nicht zu philosophisch. Oder suchst Du noch mehr philosophische Tiefe, dann kann ich Dir diesen Artikel sehr empfehlen: 5 Gründe, die Kunst des Alleinseins zu üben. Zu den Herausforderungen seglerischer Natur als Solo-Skipper werde ich demnächst einen separaten Erfahrungsbericht zu „Papier“ bringen. Meine beiden Lieblingsbücher zum Thema sind übrigens das von Laura Dekker, die im Alter von 14 Jahren Einhand um die Welt gesegelt ist [thirstylink linkid=“949″ linktext=““ class=“thirstylink“ title=“Ein Mädchen, ein Traum: Solo um die Welt“] sowie den Klassiker [thirstylink linkid=“946″ linktext=““ class=“thirstylink“ title=“Sir Francis Chichester: The Lonely Sea and the Sky“].

Jetzt würde mich erstmal Deine Meinung interessieren. Hast Du schon Erfahrungen mit dem Einhandsegeln oder wäre das was für Dich?

p.s. Sorry für die Ironie im Titel, aber es klang einfach zu schön… 😉